Vorschau GVS: Traktandum 3, Teil 2

In diesem zweiten Teil wollen wir einmal analysieren, was denn die Gegner des Einwohnerrats genau zu sagen haben.

Als erstes kommentieren wir dazu das farbige A4-Blatt, welches kürzlich in den Briefkästen gelandet ist. Unter dem Titel „Birsfelden Achtung!“ wehrt sich ein überparteiliches Komitee gegen die Wiedereinführung. Wer genau dahinter steckt, lässt sich nicht erörtern, aber das Motto „Kein Hosenlupf mit der direkten Demokratie!“ sowie das dazu passende Bild zweier Schwinger im Sägemehl lässt ein wenig auf SVP-Nähe schliessen. Doch schauen wir mal auf die Argumente:

  • Das Hauptargument sind die Kosten, welche hier mit Fr. 250’000 jährlich angegeben werden. Damit liegen sie nur gerade Fr. 80’000 über der gemeinderätlichen Schätzung. Woher diese Zahl stammt, bleibt im dunkeln und passt daher zur Propaganda der Rechtspartei.
  • Kritisiert wird weiter die Abschaffung der direkten Demokratie: Ein Dauerbrenner für die Zottel(losen). Dazu wird mit grossem Geschütz aufgefahren und Gandhi zitiert:

Unter Demokratie verstehe ich, dass sie dem Schwächsten die gleichen Chancen einräumt, wie dem Stärksten.

    Uns ist nun nicht ganz klar, wo der Zusammenhang besteht. Gandhi redet ja allgemein von Demokratie und auch in einem indirekten System können schwache Minderheiten ihre Meinung kundtun. Es ist jedoch ganz klar, dass in jeder Form von Demokratie immer die Mehrheit entscheidet und somit die Minderheit sich beugen muss. Oder haben wir da etwas falsch verstanden?

  • Weiter sollen uns mehr Bürokratie und längere Entscheidungswege blühen. Mit 12 Sitzungen im Jahr kann man aber auch davon ausgehen, dass schneller und aktueller zu Lösungen gefunden wird. Ebenfalls bleibt mehr Zeit, schlecht vorbereitete Geschäfte des Gemeinderats (und die hat es in letzter Zeit sehr oft gegeben) richtig zu behandeln. So müssten endlich keine Vorlagen mehr mit dem Argument des Zeitdrucks angenommen werden.

Interessant waren auch die Leserbriefe zum Thema im Birsfelder Anzeiger. Wir erinnern uns an die Gründung der „IG Direkte Demokratie“ oder an den besonders einfallsreichen Brief von letzer Woche: Darin wurde nach einer Hasstirade gegen die SP –  welche angeblich eine „Schweizer DDR“ plane –  der Einwohnerrat als Teil der „sozialistischen Diktatur“ beschrieben.

Der eigentlichen Problematik des Findens einer möglichst vielfältigen und daher repräsentativen Beteiligung am Einwohnerrat durch engagierte Birsfelderinnen und Birsfelder aller Altersklassen und politischen Richtungen auch ausserhalb der Parteien wird jedoch kaum Rechnung getragen. Dabei liegt der Grund der Abschaffung anno 1992 vor allem dort begraben. Doch diese Erkenntnis plagt die Befürworter wohl mehr als die Gegner. Mehr dazu bald.

6 responses to this post.

  1. Posted by Pro Einwohnerrat on 17.10.2011 at 10:34

    Aufruf an alle Stimmberechtigten: Studieren Sie bitte die Erläuterungen zur GVS Traktandum 3 genau und vor dem 31. Oktober. Lassen Sie sich nicht durch falsche (Contra-) Argumente irreführen. Es stimmt beispielsweise nicht, dass die übrigen Stimmberechtigten sich nur alle vier Jahre und via Partei einbringen können. Der GR schreibt unter den Pro-Argumenten selbst, dass das „letzte Wort“ bei den Stimmberechtigen an der Urne bleibt! Es stimmt weiter nicht, dass der Einwohnerrat (EWR) eine unnötige Instanz zwischen GR und Stimmberechtigten ist. Der EWR ist die legislative (gesetzgebende) und der GR die exekutive (ausführende) Behörde. Oder will der GR die Legislative abschaffen und die Diktatur einführen? (Einen König haben wir ja schon!). Hingegen wird mit der Einführung des EWR eine unnötige Instanz zwischen GR und Stimmberechtigten, nämlich die „zahnlose“ Gemeindekommission abgeschafft.

    Antworten

  2. Posted by wutbürger on 17.10.2011 at 16:47

    Ist es denn wirklich direkte Demokratie, wenn z.B. die vollzählig aufmarschierte Feuerwehr plus Angehörige sich das neue Tanklöschfahrzeug bewilligen kann?

    Ist es denn wirklich direkte Demokratie, wenn z.B. die vollzählig aufmarschierten Wohngenossenschaften ein Hochhaus verhindern und durch ihr NEIN auch eine (direktdemokratische) Volksabstimmung verunmöglichen können?

    Mir nicht bekannt ist, dass Gandhi in Indien die Gemeindeversammlung eingeführt hat 😉

    Und wer sich immer auf die Tradition der direkten Demokratie beruft, darunter aber nur Landsgemeinde und Gemeindeversammlung versteht, beleidigt alle europäischen Demokratien. Auch Referenden und Initiativen sind direktdemokratische Mittel, nur fordern sie etwas mehr Engagement als nur an einer Gemeindeversammlung henzimässig zu motzen.

    »Wo die Dummheit einen Moment Platz macht,
    nimmt ihn die Tradition ein.« (Bodo Kirchhoff)

    Antworten

    • Posted by Anonymous on 18.10.2011 at 10:49

      @wutbüger, zur Info, ein Hochhaus kann auch durch ein Referendum unter EWR verhindert werden,wenn man dabei einen Naturraum zerstören will,der wichtig ist für die Gemeinde…. und ist genauso demokratisch, wie unter dem GVS. Bauen, um des Bauenswillen sollten immer verhindert werden,wenn man dafür das letzte Stückchen wilder Natur der Gemeide retten kann!

    • Posted by wutbürger on 18.10.2011 at 15:53

      Natürlich, lieber Anonymous. Aber dann stimmt die Bevölkerung in grösserem Masse ab (direkte Demokratie!) und nicht nur die Gemeindeversammlung (direktes Demokratielein).

    • Posted by Anonymous on 19.10.2011 at 11:28

      Die „Tradition der direkten Demokratie“ hört bereits auf Kantons- und erst recht auf Bundesebene auf. Wer gegen einen Einwohnerrat ist, weil er nicht direkt-demokratisch sei, der muss auch gegen Landrat, Nationalrat und Ständerat sein. Da kann der Stimmbürger nämlich auch nicht mitreden.

  3. Posted by Pro Einwohnerrat on 17.10.2011 at 18:33

    Was Hans Henzi an der letzten GVS ungestraft und von GP Botti (bewusst) toleriert gesagt hat, war neben verleumderischen Anschuldigungen (schlafende bzw. unfähige Einwohnerräte) eine fiese Irreführung des Souveräns. Nach SVP-Manier hat er einfach mal behauptet, die ehemaligen Mitglieder hätten sich nach Abschaffung des EWR keinen Deut mehr um die Gemeindepolitik gekümmert. Dabei waren 13 der vom Stimmvolk gewählten 15 Mitglieder der Gemeindekommission 1992 – 1996 ehemalige Mitglieder des abgeschafften EWR’s!

    Antworten

Hinterlasse einen Kommentar